MieterEcho
Nr. 261 - März/April 97

Abschaffung der Sozialmieten

Wohnungs- und mietenpolitisch könnten die nächsten Jahren einige gravierende negative Veränderungen bringen. Neben der »Vereinfachung des Mietrechts« stehen eine neue Wohnungsbauförderung sowie die Abschaffung der Sozialmieten auf der Tagesordnung.

Kurz nach seinem Amtsantritt vor über zwei Jahren verkündete Bundesbauminister Klaus Töpfer noch in einem Interview: »Wir werden immer eine soziale Wohnungsmarktwirtschaft haben.« Davon will man in Bonn nun nichts mehr wissen. Denn Ende letzten Jahres legte das Bundesbauministerium seine »Eckwerte Wohngesetzbuch und Reform im Sozialwohnungsbestand« vor, die laut Achim Großmann, dem wohnungspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, einer »Abschaffung des sozialen Wohnungsbaus« gleichkommen. Auch im Bundesrat stoßen die Bonner Pläne auf Ablehnung. Die Vermieter jubeln, sehen sie sich doch am Ziel ihrer Träume. Denn mit seinem Vorhaben »will der Bundesbauminister nichts mehr und nichts weniger als die Abschaffung des herkömmlichen sozialen Wohnungsbaues und die Überführung des gesamten bisherigen Sozialwohnungsbestandes in das Vergleichsmietensystem.« 1)

Besinnung auf Marktkräfte

Nach Auffassung des Bundesbauministeriums ist ein »in weiten Teilen (...) funktionierender Wohnungsmarkt« kennzeichnend für die gegenwärtige Situtation. Daher gehe es »künftig um die gezielte Unterstützung bedürftiger Haushalte und nicht mehr um den sozialen Wohnungsbau für breite Bevölkerungschichten.« Lediglich Haushalte mit »Zugangsproblemen zum Wohnungsmarkt«, d.h. insbesondere Alleinerziehende, ältere Menschen, Wohnungslose sowie Haushalte mit geringen Einkommen, sollen künftig noch gefördert werden. 2)

Gemäß der Maxime der Expertenkommission »Der Markt wird es schon richten« sollen sich »alle Sektoren der Wohnungspolitik wieder mehr der Marktkräfte besinnen.« Salbungsvoll heißt es, die Neuorientierung in der sozialen Wohnraumförderung »ist keine Frage der Wohnungspolitik allein, sondern Teil des umfassenden Bemühens und Ringens um den Standort Deutschland.« 3) Und damit um die Reduzierung der Wohnnebenkosten oder was?

Sozialwohnungen im Bestand

Im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus sind seit 1950 ca. 8,5 Mio Wohneinheiten mit staatlicher Unterstützung gebaut worden. Trotz rückläufiger Förderung lag der Bestand in den alten Bundesländern Ende 1996 noch bei ca. 2,2 Mio Sozialwohnungen, allein 12% davon in West-Berlin. Dem stehen allerdings 12 Mio Haushalte gegenüber, die aufgrund ihres Einkommens zur Zeit Anspruch auf eine Sozialwohnung hätten. Soviel zum funktionsfähigen Wohnungsmarkt.

Aber der Bestand schrumpft weiter. Denn gegenwärtig fallen mehr Wohnungen aus der Bindung, als neu gebaut werden. Insbesondere bei Wohnungen aus der Boomzeit des sozialen Wohnungsbaus in den 60er und Anfang der 70er Jahre läuft die in der Regel auf 30 Jahre befristete Sozialbindung aus. D.h. sie unterliegen dann preisrechtlich dem Miethöhegesetz, und die Mieter/innen müssen mit bis zu 30%igen Mieterhöhungen rechnen. Dies bekamen die Mieter/innen der GEHAG (Gemeinnützige Heimstätten-AG) in Berlin-Gropiusstadt Anfang 1995 zu spüren, als diese die Mieten sogar um bis zu 40% anheben wollte. Erst nach massiven Protesten wurden die Mieterhöhungen reduziert.

Übergang in das Mietrecht für preisfreie Wohnungen

In ein paar Jahren müssen sich nun fast alle Mieter/innen von Sozialwohnungen auf drastische Mietsteigerungen gefaßt machen, denn Pläne der Bundesregierung sehen eine schrittweise Angleichung aller Sozialmieten an das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete vor. Derzeit sind Sozialwohnungen noch preisgebunden, d.h. Vermieter dürfen nur die staatlich festgelegte Kostenmiete verlangen. Dafür haben sie als Gegenleistung zinsgünstige Darlehen erhalten. Nach Angaben des Bundesbauministeriums liegt die Miete bei Sozialwohnungen durchschnittlich um 2,74 DM unter dem Niveau freifinanzierter, preisfreier Wohnungen. In Ballungsgebieten beträgt der Unterschied allerdings bis zu 8 DM/qm insbesondere bei Wohnungen jüngeren Baualters. Um diese Differenz könnten die Sozialmieten innerhalb der nächsten sechs Jahre steigen.

Bis zum 31.12.1998 soll zunächst weiterhin die Kostenmiete maßgeblich für den Mietpreis von Sozialwohnungen sein. Doch ab dem 1.1.2000 können die Vermieter eine Anhebung auf 80% und ab dem 1.1.2003 schließlich auf 100% der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen. Und im Jahr 2006 gilt das Miethöhegesetz uneingeschränkt, vorausgesetzt, es existiert noch in dieser Form - erinnern wir uns an die Pläne zur »Vereinfachung des Mietrechts«. Die Differenz zwischen einer dann fiktiven Kostenmiete und den erzielten Mieteinnahmen sollen die Vermieter während des Bindungszeitraums bis auf einen Anteil von 10% an Länder oder Kommunen abführen, die diese für den Neubau oder die Sanierung des vorhandenen Bestandes verwenden können. Und solange die Sozialbindung für eine Wohnung noch nicht ausgelaufen ist, dürfen die Vermieter bei einer Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreiten.

»Zusatzförderung«

Sozial bedürftige Mieterhaushalte sollen über eine »Zusatzförderung« - zusätzlich zum Wohngeld - unterstützt werden. Nach Schätzungen von Burkhard Hintzsche, dem Referenten für Wohnungswesen beim Deutschen Städtetag, müßten künftig 70-80% der Mieter/innen eine solche Zusatzförderung erhalten. Die Bundesregierung will sich daran aber finanziell nicht beteiligen, denn es »ist nicht der Bund, sondern die Länder, die die finanziellen Voraussetzungen der Zusatzförderung bestimmen.« 3) Angesichts der knappen Finanzmittel der Kommunen könnte dies in einem Fiasko enden. Denn um die für eine »Zusatzförderung« notwendigen Gelder aufzubringen, müßten sich die Kommunen höher verschulden oder Kürzungen bei anderen Sozialausgaben vornehmen.

U.P.

Anmerkungen
1) Das Grundeigentum Nr. 23/1996, S. 1452
2) Eckwerte Wohngesetzbuch und Reform im Sozialwohnungsbestand
3) Zum aktuellen Stand eines Wohngesetzbuches, Referat von Ministerialdirektor Wolfgang Vogel, Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, auf einer Tagung im November 1996

 
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