MieterEcho
Nr. 259 - November/Dezember 96

Lichtenberg: Mietenpolitischer Stammtisch
Vermieter könnnen Betriebskosten auch nach unten beeinflussen

Am 12.10.96 fand zum achten Mal ein wohnungs- und mietenpolitischer Stammtisch in Lichtenberg statt. Über 70 Bürgerinnen und Bürger nahmen an ihm teil. Der Einladung der traditionellen Veranstalter, der Bezirksgruppen Lichtenberg der Berliner MieterGemeinschaft e.V. und des Berliner Mietervereins e.V. und des Ausschusses Bauen, Wohnen, Mieterschutz der BVV Lichtenberg, waren auch Dr. Gesine Lötzsch, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Dr. Wolfram Friedersdorf, Bezirksbürgermeister, und Andreas Geisel, Baustadtrat, gefolgt. Von den eingeladenen Wohnungsunternehmen konnte die Versammlungsleitung die Vertreter der Wohnungsbaugenossenschaft Lichtenberg, der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg und der GSW begrüßen. Das Thema des Stammtischs lautete diesmal: "Die Entwicklung der Betriebskosten - wie kann der Anstieg der zweiten Miete gebremst werden?"
 
Anwesende Mitglieder der Wohnungsbaugenossenschaften Vorwärts und Solidarität vermißten offizielle Vertreter ihrer Vorstände. Herr Burwitz und Frau Müller von der Wohnungsbaugenossenschaft Lichtenberg (WBL) hingegen legten konkret dar, wie gezielte Bemühungen zu einer Senkung der Heiz- und Warmwasserkosten von Jahr zu Jahr geführt haben. Die Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg (WBL) war ihrerseits mehrfach Gegenstand von zum Teil heftiger Kritik. Herr Foryta als Prokurist bestätigte in seinen Ausführungen unter anderem, daß die WBL offen sei für Gartenpflege und Treppenhausreinigung durch die Mieter/innen, vorausgesetzt, alle wollen es.
 
Überdurchschnittlich steigende Betriebskosten
 
Ausgangspunkt für die lebhafte Debatte waren folgende Feststellungen zu Beginn der Veranstaltung: Die drei am meisten ansteigenden Kostenarten sind
  • die Hausreinigung (inzwischen um die 30.-DM pro WE/Monat),
  • die Wasserkosten (mit 8,30 DM/pro Kubikmeter netto seit 1.10.96 auf 361 % gegenüber 1991 gestiegen),
  • die Grundsteuer (mit 4.-DM resp. 3.-DM Jahr/qm 1995 auf 150 % gegenüber 1991 gestiegen und damit "Spitze" in Deutschland).
Diese Steigerungen übertreffen bei weitem die Steigerung der Lebenshaltungskosten insgesamt, die 1995 bei 130,4 % im Vergleich zu 1991 lagen.
 
Was treibt die Betriebskosten in die Höhe?
 
Als hauptsächliche Faktoren, die die Betriebskosten in die Höhe treiben, wurden genannt: Die Politik der Kommunen, Haushaltslöcher zu stopfen, indem Steuern erhöht oder städtische Dienstleister mit Abgaben belastet bzw. ihnen Zuwendungen gestrichen werden, so daß deren Preise steigen; Das Verhalten der Sozialämter, die unbesehen Betriebskostenrechnungen für Sozialhilfeempfänger begleichen, so daß kein positiver Einfluß auf die Verbrauchsgewohnheiten ausgeübt wird; die Einstellung bei so manchen Vermietern, Betriebskosten seien nur durchlaufende Kosten, die die Mieter/innen sowieso bezahlen, so daß sie an deren Senkung kein Interesse zeigen; die Dienstleister, die viel verdienen wollen und dabei alle Möglichkeiten nutzen, die ihnen überhöhte Vertragsabschlüsse und mangelnde Kontrolle bieten; die Mieter/innen, die ihre Verbrauchsgewohnheiten noch nicht den heutigen Preisen und Kostenentwicklungen angepaßt haben. Diese Punkte sind zugleich ebensoviele Ansatzpunkte für die Senkung der Kosten bzw. für die Bremsung ihres Anstiegs.
 
Senkungsmöglichkeiten
 
Vor diesem Hintergrund war es schon bemerkenswert, von der WBLi zu hören, wie sie aufgrund der Bauzustandsanalyse und daraus abgeleiteter Bau- und Steuerungsmaßnahmen die Heizkosten z.B. in der Sewan- und Dolgenseestraße von 1,68 DM auf 0,87 DM senken konnte. Insgesamt fielen die Heizkosten von 2,07 DM 1993 auf 1,78 DM 1995. Kaltwasserzähler in 50 % der Wohnungen ermöglichen dort bereits die verbrauchsabhängige Abrechnung - und damit die unmittelbare Beeinflussung des Wasserverbrauchs und seiner Kosten durch die Mieter/innen. Auch wurden mit der BSR günstige Tarife für die Müllentsorgung ausgehandelt, während mehr und mehr verschließbare Müllstandsflächen entstehen. Die Aktion "Gelbe Säcke" - das Aufstellen von Müllsäcken direkt in den Hausfluren - entlastete die sonstige Müllentsorgung innerhalb von sechs Wochen bereits um 30 %.
 
Senatspolitik als Steigerungsfaktor
 
Die Wasserwerke waren trotz Einladung nicht erschienen. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) war durch ihre Pressesprecherin Frau Sabine Thümler, vertreten. Sie bestätigte die preistreibende Wirkung der Senatspolitik, als sie darauf verwies, daß von der BSR erwartet wird, allein die notwendige Sanierung der Deponien zu finanzieren (200-300 Millionen DM jährlich), daß eine Steuerpflicht geplant sei, die etwa 50 Millionen jährlich ausmachen würde, und daß das Stammkapital mit 4 % jährlich verzinst werden soll, was nochmals 30 Millionen erfordern würde. Diese jährliche Mehrbelastung von etwa 300 Millionen DM dürfte zu einer Erhöhung der Tarife bei der BSR für die gleichen Leistungen wie bisher führen. *)
 
Mieter/innenvorschläge und -kritiken
 
Aus der Vielzahl von Hinweisen, Kritiken, Fragen und Antworten während der zweieinhalbstündigen Veranstaltung seien noch diese genannt:
  • Warum wird bei der Sanierung nicht unter die Badewanne die von einer Ost-Firma entwickelte Brauchwasseranlage eingebaut, die es ermöglicht, das Badewasser zum Spülen der Toilette zu benutzen?
  • Warum wird bei der Heizungsmodernisierung nicht statt des Anschlusses an die Fernwärme der Einbau objektbezogener Blockkraftwerke auf Erdgasbasis vorgenommen, die im Betrieb um 30 % kostengünstiger sind?
  • Die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung der WBL sollte auf der Basis 30:70 statt 50:50 erfolgen, um den Erfolg von Sparbemühungen spürbarer zu machen (Die WBLi rechnet mit 40:60 ab).
  • Die WBL sollte kleinere, übersichtliche Abrechnungseinheiten zwecks Durchschaubarkeit/Beeinflußbarkeit der Betriebskosten schaffen und auch Beratungen mit den Mieterbeiräten über Betriebskosten in kleineren Einheiten und objektbezogen durchführen.
  • Wiederholt wurde kritisiert und mit Beispielen belegt, daß Mitarbeiter der WBL Mietervorschläge ignorieren bzw. auf Schreiben nicht reagieren.

Kein Verkauf der WBL!
 
Zum Schluß sei noch erwähnt, daß die Anwesenden mit Beifall die Mitteilung aufnahmen, daß die Bezirksgruppe Lichtenberg der Berliner MieterGemeinschaft e.V. und der Mieterbeirat Storkower Bogen sich an den Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses gewandt haben, um im Namen der Mieter/innen gegen den vom Senat geplanten Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft Lichtenberg zu protestieren; zumal der Verkauf an eine Gesellschaft geplant ist, mit der gerade in Lichtenberg die schlechte Erfahrung gemacht worden ist, daß diese Gesellschaft die ihr vor zwei Jahren rückübertragenen Häuser sofort an private Investoren verkauft hat. Die Modernisierungspraktiken dieser Investoren haben größte Belastungen für die Mieter/innen gebracht. Bei aller Kritik: Lichtenberg braucht "seine" WBL.
 
J.G.
 
Anmerkung
*) Sechs Tage nach der Veranstaltung, am 18.10.96, gab der Aufsichtsrat der BSR mit Zustimmung der Senatsvertreter sein Tarifkonzept für 1997 bekannt: Erhöhung der Müllkosten um durchschnittlich 34,1% bei gleichzeitiger Anpassung der Ostarife an die Westtarife, ebenfalls Anhebung der Straßenreinigung Ost auf Westniveau, künftig 70.-DM pauschal für die bisher kostenlose Sperrmüllabholung bei Mieter/innen!

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