MieterEcho
Nr. 259 - November/Dezember 96

Ende der behutsamen Stadterneuerung?

Die behutsame Stadterneuerung ist ein Produkt der politischen Auseinandersetzungen Anfang der 80er Jahre. Dem relativ preiswerten Berliner Altbaubestand mit seinem großen Sanierungsbedarf drohten Kahlschlagsanierung und Verfall. Erst der politische Druck von unten im Rahmen der Hausbesetzerbewegung führte zu einer Abkehr von dieser Politik hin zu einer öffentlich geförderten Sanierung mit bezahlbaren Mieten und einer stärkeren Beteiligung der Betroffenen.
 
Auch heute noch besteht bei 200.000 Altbauwohnungen dringender Sanierungsbedarf. Der Unterschied zu vergangenen Jahren besteht darin, daß die Errungenschaften der behutsamen Stadterneuerung mangels politischen Drucks von unten und aufgrund des allseits verordneten Sparzwangs scheibchenweise abgeschafft werden.
 
Zwar formulierte der Berliner Senat in seinen Leitsätzen zur Stadterneuerung aus dem Jahr 1993: "Die Erneuerung ist an den Bedürfnissen der Betroffenen zu orientieren. Die Erneuerungsmaßnahmen und -verfahren werden sozialverträglich gestaltet. ... Die mit den Erneuerungsmaßnamen verbundenen Mietsteigerungen sind daher unter Berücksichtigung der sozialen Ziele an den Möglichkeiten der Bewohner zu orientieren." Doch bereits mit seinen letzten mieterunfreundlichen Förderprogrammen hat sich der Berliner Senat vom Anspruch einer behutsamen Stadterneuerung mit sozialverträglichen Mieten entfernt.
 
Zudem beschloß der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses im März 1996 die Kürzung der öffentlichen Mittel für die Sanierung von Altbauwohnungen um 20% auf 842 Mio. DM und der Gelder für die Mietermodernisierung von 35 auf 11,5 Mio. DM. Die Programme für bauliche Selbsthilfe und Plattenbausanierung erfuhren ebenfalls Einschränkungen.
 
IBB-Entwurf
 
Nun könnten auch noch die letzten Reste der behutsamen Stadterneuerung auf dem Altar des Sparzwangs geopfert werden. Anlaß zu dieser Befürchtung gibt ein Entwurf der landeseigenen Investitionsbank Berlin (IBB) über die Förderung von Instandsetzungsmaßnahmen. Durch diese neuen Förder-Richtlinien sollen insbesondere die beiden Programmteile "Stadtweite Maßnahmen" (ausgelaufen am 31.12.95) und "Soziale Stadterneuerung" (Programmende am 31.12.98) ersetzt werden. Der Programmteil "Stadtweite Maßnahmen" kommt bei Gebäuden mit einfachem bis mittlerem, der Programmteil "Soziale Stadterneuerung" bei Gebäuden mit umfassendem Instandsetzungs- und Modernisierungsbedarf, d.h. insbesondere in Sanierungsgebieten, zur Anwendung.
 
Gegen eine Straffung der Richtlinien wäre nichts einzuwenden. Doch der Entwurf der IBB sieht einige erhebliche Verschlechterungen gegenüber den bisherigen Programmen vor:
  • Die Vergabe der öffentlichen Fördermittel ist bisher an die Zustimmung der Mehrheit (beim Programmteil "Soziale Stadterneuerung" sogar von 75%) der von Modernisierungsmaßnahmen betroffenen Mieter/innen eines Hauses geknüpft. Diese hatten somit Einfluß auf den für die künftige Miethöhe ausschlaggebenden Umfang der Modernisierungsmaßnahmen. Damit war garantiert, daß die Mieten nach einer Sanierung nicht in den Himmel wachsen konnten. Diese Zustimmung ist, ginge es nach dem IBB-Entwurf, künftig nicht mehr erforderlich.
  • Die öffentliche Förderung soll ausschließlich auf Instandsetzungsmaßnahmen begrenzt werden, die ja eigentlich Aufgabe der Vermieter sind.
  • Die Kosten der Modernisierungsmaßnahmen sollen nun wie bei privat finanzierten Modernisierungen zu 11% auf die Jahresmiete umgelegt werden können. Zumindest beim Programmteil "Soziale Stadterneuerung" war diese Umlage bisher auf 5,5% begrenzt. Ebenso soll der Vermieter bei weiteren Modernisierungen nach Beendigung der Sanierung nicht mehr an die Zustimmung der Mieter/innen gebunden sein, lediglich die IBB kann dabei noch ein Wörtchen mitreden.
  • Eine Mietbindung der geförderten Wohnungen ist nicht mehr vorgesehen. Bisher galt als Obergrenze für Mieten nach Abschluß der Sanierung der entsprechende Mietspiegelmittelwert plus 10%. Der IBB-Entwurf operiert in seiner Modellrechnung mit Einstiegsmieten zwischen 7,50 und 10,30 DM/qm nettokalt. Diese der Berechnung der IBB zugrunde gelegten Mieten hätten laut Dorothee Dubrau, Baustadträtin in Prenzlauer Berg, zur Folge, "daß manche Programme gar nicht abgerufen werden können", da in einigen Bezirken Mietobergrenzen existieren. Dies würde gerade auf Gebiete mit erheblichem Erneuerungsbedarf zutreffen.
  • Zudem sollen die Belegungsrechte der Bezirke entfallen. Diese Rechte müßten trotz öffentlicher Förderung künftig erkauft werden.
  • Eine Mieterberatung sowie Sozialpläne für besondere Härtefälle sind nicht mehr vorgesehen.
Der IBB-Entwurf sieht weiterhin eine Verringerung des Eigenanteils der Hauseigentümer auf 15% der Gesamtkosten der durchzuführenden Maßnahmen vor. Die öffentliche Förderung wird künftig nicht mehr als Zuschuß, sondern nur noch in Form zinsgünstiger Darlehen gewährt.
 
Die öffentliche Förderung ist kaum mit Gegenleistungen der Subventionsnehmer verbunden. Die einzige Bindung, die Vermieter, sollten sie Mittel aus diesem Programm in Anspruch nehmen, eingehen müßten, ist der Verzicht auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs für die Dauer von 30 Jahren. Eine Umwandlung der geförderten Wohnungen in Eigentumswohnungen ist jedoch während des Förderzeitraums mit Zustimmung der IBB möglich.
 
Erster Protest der Bezirksstadträte
 
Nachdem Einzelheiten des IBB-Entwurfs durchsickerten, schlug eine parteiübergreifende Koalition von Bezirksbaustadträten Anfang September schon mal Alarm. Diese befürchten das Ende der öffentlich geförderten Stadterneuerung. Die "Elemente der ‘Sozialen Stadterneuerung’ dürfen nicht zugunsten des Gewinninteresses einer Bank (der IBB d.V.) geopfert werden", "Mietpreis- und Belegungsbindung sind notwendiger Bestandteil der behutsamen Stadterneuerung", stellen sie in ihrer gemeinsamen Erklärung fest. *)
 
Das Vorpreschen der IBB ähnelt einem gängigen Muster. Mit ihrem Frontalangriff auf die behutsame Stadterneuerung zieht sie als Buhmann die öffentliche Kritik auf sich, während der Senat zunächst in die Prüfungsphase abtaucht. Schließlich wird er neue Richtlinien präsentieren und erklären, seht her, so schlimm ist es doch nicht geworden. Doch letztendlich werden sich einige der im IBB-Entwurf formulierten Vorschläge in Form von Verschlimmbesserungen in künftigen Richtlinien wiederfinden.
 
Politischer Widerstand scheint sich noch nicht zu formieren. Selbst in Kreuzberg, dem einstigen "Modellbezirk" für behutsame Stadterneuerung, klagen Aktive, daß viele Mieterinitiativen eingeschlafen sind, teils wegen reduzierter öffentlicher Förderung, aber auch teils wegen geringen Basisinteresses. Sollten die Mieter/innen den Sparzwang verinnerlicht und die Sparwalze in den Köpfen jeglichen Widerstandsgeist geplättet haben?
 
U.P.
 
Anmerkung
*) Die gemeinsame Erklärung "Behutsame Stadterneuerung in Berlin retten" ist von den Baustadträten Martina Albinus (Friedrichshain, PDS), Dorothee Dubrau (Prenzlauer Berg, Bündnis 90/Die Grünen), Werner Gehrmann (Köpenick, CDU) sowie Horst Porath (Tiergarten, SPD) unterzeichnet.

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