Nr. 257 Juni/Juli/August 96

„Wohnste sozial, dann haste die Qual!“
Während derzeit in Bonn im Rahmen und unter der Überschrift „Vereinfachung und Reform des Mietrechts“ auch die Grundlagen des sozialen Wohnungsbaus auch im derzeitigen Wohnungsbestand nachhaltig verschlechtert werden sollen, bahnt sich in Berlin eine Mietenrakete für alle Sozialwohnungen an. Die Sozialmieter werden vor dem Hintergrund der öffentlichen Finanzkrise verstärkt zur Kasse gebeten. Der Spruch aus den siebziger Jahren ist aktueller denn je. Den Mieterberater/innen fällt auf die zunehmende Frage von ratsuchenden Sozialmieter/innen, was denn bitteschön an ihrer Miete noch sozial ist, kaum noch eine andere Antwort ein. Ein Verweis auf den gesetzlichen Wohngeldanspruch bringt immer häufiger die Schere zwischen „Sozialmiete“ und höchstförderungsfähiger Miete beim Wohngeld zutage. Die zahlungskräftigeren Mieter werden durch eine verschärfte Fehlbelegungsabgabe am Haushaltsloch beteiligt. Das freut mittlerweile auch die Vermieter, da sie die Fehlbelegungsabgabe anläßlich des Bindungsablaufs in die eigene Tasche stecken können. Auf die Idee, Haus- und Grundbesitz mit den spekulativen Wertsteigerungen einen Beitrag zur Finanzkrise leisten zu lassen, kommen nur Bündnis 90/Grüne , PDS und Mieterorganisationen.
 
Die Mietenrakete basiert neben exorbitanten Betriebskostensteigerungen auf dem Beschluß des Senats, zum letzten April die Sozialmieten flächendeckend um 0,50 DM/qm/Monat durch Anhebung der Baudarlehenszinsen bzw. durch außerplanmäßigen Subventionsabbau anzuheben. Im August kommen bis zu 0,40 DM/qm/Monat wegen der geplanten Anhebung der Pauschalen für Instandhaltungs- und Verwaltungskosten hinzu, die vom Bundeskabinett bereits beschlossen ist. Hier steht die Zustimmung des Bundesrates noch aus. Ab Januar 1997 werden die Berliner Sozialmieter zur verschärften Fehlbelegungsabgabe herangezogen: Für Überschreitungen der Einkommensgrenzen von 20-35% mit 1,75 DM/qm/Monat, von 35-50% mit 2,75 DM, von 50-65% mit 4,00 DM von 65-80% mit 5,50 DM und schließlich von mehr als 80% Einkommensgrenzenüberschreitung mit 7,25 DM/qm/Monat. Ferner folgt 1997 der planmäßige Abbau der Förderung mit 0,25 DM/qm/Monat. Eine nachhaltige Wohngelderhöhung, die einkommensschwachen Mietern die Bezahlbarkeit ihrer Sozialwohnung sichert, steht weiter in den Sternen. Einkommensumverteilung von unten nach oben und Einsparungen im Bereich des Sozialetats sind mehr denn je auf der Tagesordnung .
 
Mit den zukünftigen „Sozialmieten“ wird ein weiterer Trend verstärkt: In zunehmendem Maße werden Sozialmieten die ortsübliche Vergleichsmiete freifinanzierter Wohnungen überschreiten. Aber das scheint die Absicht der Deregulierungsfetischisten zu sein: Mietpreisbindungen aller Art in der Praxis derart in Mißkredit zu bringen, daß alle deren Abschaffung fordern.
 
GE

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