Nr. 255 Januar/Februar 96

Friedrichshain
Neuer Abrißskandal mit Bayerischer Hausbau

Die Rigaer Str. 27 ist ...nein, jezt muß man leider sagen: war ein schöner Altbau aus der Gründerzeit, mit Doppelerker, großen Fenstern und Parkettböden. Das Haus wurde noch zu DDR-Zeiten rekonstruiert und befand sich bis zum 15. Januar diesen Jahres in bestem baulichen Zustand. Im Laufe des letzten Jahres wurde das Haus dann langsam leergezogen, indem die alten Mietparteien Umsetzwohnungen angeboten bekamen, mit der Option auf eine Wohnung im neuerbauten Komplex an der Rigaer Str. 27. Dort gibt es aber demnächst nur noch teure Eigentumswohnungen.
 
Investor läßt intakten Wohnraum zerstören
 
In der Nacht auf den 15. Januar wurde das Haus im Rahmen der "Aktionstage der besetzten Häuser" kurze Zeit besetzt. Im Verlaufe der Räumung am nächsten Morgen rückte mit der Polizei auch ein Bauarbeitertrupp an und zerstörte in kürzester Zeit die noch komplett funktionsfähigen Inneneinbauten sowie alle Fenster. Der Altbau steht auf dem hinteren Teil eines Grundstücks, das bis zur Frankfurter Allee reicht und auf dem ein neu errichteter Hotel-, Einkaufspassagen- und Bürokomplex weitgehend fertigestellt ist.
 
Büros und Zufahrt statt Wohnhaus
 
Warum soll nun das Haus weg? Weil dort - Sie ahnen es schon - eine Tiefgaragen- und Lieferzufahrt entstehen soll, überbaut mit Büroetagen! Begründet wird der Abrißantrag mit mangelnder wirtschaftlicher Verwertung des Altbaus. Es wäre jedoch ein Novum, wenn diesem Antrag stattgegeben würde. Schon 1992 war in der Kollwitzstr. 89 in Prenzlauer Berg ein ähnlicher Fall am breiten Widerstand im Bezirk (u.a. drei öffentlichkeitswirksamen Besetzungen durch das Kiezbündnis WBA) gescheitert. Bezirksamt spielt mit
 
Eine Abbruchgenehmigung - Vorläufer einer Abrißgenehmigung - erteilte das Bezirksamt am 21.12.95, sie war offenbar unterschrieben von Baustadträtin Albinus (parteilos, PDS). Sie war allerdings am üblichen Weg über die bezirklichen Gremien vorbei an den Investor, die Bayerische Hausbau, erteilt worden. Nachdem dieser Skandal ruchbar wurde, verfügte Frau Albinus erst einmal einen Abrißstopp, was den Investor allerdings nicht daran hinderte, die Abrißarbeiten unverfroren noch einen ganzen Tag über weiterzuführen.
 
Profitgier frißt wieder billigen Wohnraum
 
Die Bayerische Hausbau hatte schon 1993 mit einem ähnlich gelagerten Fall von Mietwohnraumzerstörung in Lichtenberg auf sich aufmerksam gemacht. Auch damals waren den Mieter/innen unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Umsetzwohnungen aufgedrängt worden, dem Bezirksamt wurden irreführende Angaben gemacht, und preiswerter Wohnraum mußte dem Bau von Eigentumswohnungen weichen. Damals fragte die MieterGemeinschaft: "Ist nun das Vorgehen in Lichtenberg ein Ausrutscher der örtlichen Vertreter der Bayerischen Hausbau oder Prinzip der Firma ?" Jetzt wissen wir die Antwort. Bei Redaktionsschluß stand das Gebäude noch. Wenn sie diese Zeilen lesen, ist es vielleicht schon abgerissen.
 
PS: Der Gebäudekomplex ist übrigens u.a. als möglicher neuer Sitz des Bezirksamtes Friedrichshain anvisiert.
 
R.S.
 
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