Nr. 255 Januar/Februar 96

Mieter/innenvertretungen bei Wohnungsbaugesellschaften

"Gibt es gesetzliche Grundlagen für Mieter/innenvertretungen?" So lautete die Frage, die uns wiederholt gestellt wurde. Für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften kann sie bejaht werden. Im Jahre 1986 erließ der Senat eine "Allgemeine Anweisung über die Einrichtung von Mietervertretungen in Gebäuden, die vom Land Berlin zu Wohnzwecken vermietet sind". Er folgte damit einem Beschluß des Abgeordnetenhauses aus dem Jahre 1983 (!). Diese Anweisung beinhaltet die Grundsätze für die Bildung von Mieter/innenvertretungen und die diesen Vertretungen zugebilligten Aufgaben.
 
Vertretungen in Anlagen ab 20 Wohnungen
 
Danach haben die Wohnungsbaugesellschaften in Wohnanlagen mit mindestens 20 Wohnungen Mieter/innenversammlungen zur Wahl einer Vertretung einzuberufen, wenn die Mehrheit der stimmberechtigten Mieter des jeweiligen Hauses oder der jeweiligen Wohnanlage dies wünscht. Diese Versammlungen sind nicht öffentlich. Beschlußfähigkeit besteht bei Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Stimmberechtigten, wobei pro Wohnung ein Mieter/eine Mieterin stimmberechtigt ist. Die zu wählende Vertretung umfaßt drei Personen bzw. fünf, wenn es sich um mehr als 100 Wohnungen handelt.
 
Mieterbeirat
 
In der Praxis werden diese Grundsätze aus dem Jahre 1986 auch als solche behandelt, d.h. sie werden konkreten Bedingungen angepaßt. So gibt es Gesellschaften mit einem nach Tausenden zählenden Wohnungsbestand, die die Bildung von Mieter/innenvertretungen für mehrere hundert Wohnungen unter dem Namen Mieterbeirat organisieren. Wegen der Größe der Wohnanlage berufen sie zwar eine Versammlung ein, um die Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten zu ermöglichen, führen die eigentliche Wahl aber als geheime Briefwahl durch. Auch die Anzahl der Mitglieder des Beirats wird angepaßt, z.B. durch eine Erhöhung auf sieben. Eine Wahlperiode umfaßt drei Jahre. Fordert die Mehrheit der Mieter/innen eine Versammlung zur Abwahl einzelner oder auch mehrerer Vertreter/innen, hat die Wohnungsbaugesellschaft eine solche einzuberufen. Soweit zur Bildung von Mieter/innenvertretungen. Wichtiger natürlich ist zu wissen: Was kann/was darf sie - kurz, kann sie etwas für die Mieter bewirken? Aus der genannten Anweisung ergibt sich ein Informations- und ein Anhörungs- und Vorschlagsrecht.
 
Informationsrecht
 
Die Vertretung hat ein Recht auf Information über geplante wesentliche Instandhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, Einstellung von Hauswarten und Hausbesorgern, Beauftragung von Reinigungs- und Schneebeseitigungsfirmen und die sich daraus für die Wohnanlage ergebenden Mietänderungen.
 
Anhörungs- und Vorschlagsrecht
 
In allen die Gesamtheit der Mieter/innen der Wohnanlage unmittelbar betreffenden Angelegenheiten hat die Vertretung ein Anhörungs- und Vorschlagsrecht - mit Ausnahme der beim Informationsrecht genannten Angelegenheiten. Das Anhörungs- und Vorschlagsrecht bezieht sich vor allem auf die Neuanlage oder wesentliche Veränderung von Gemeinschaftsanlagen und den Betrieb, die Instandsetzung und die Modernisierung der zentralen Heiz- und Warmwasseranlagen, aber auch auf die Festlegung und Änderung der Hausordnung. Die Mieter/innenvertretung kann auch, laut Anweisung, bei Verstößen gegen die Hausordnung und bei der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen den Mietern herangezogen werden.
 
Vereinbarung zwischen Vertretung und Gesellschaft
 
Diese Grundsätze aus der Anweisung des Senats finden sich in dieser oder jener Form und mit weiteren Punkten verbunden in den Vereinbarungen wieder, die zwischen der Geschäftsführung der jeweiligen Wohnungsbaugesellschaft und der Mieter/innenvertretung abgeschlossen wird und dann die Grundlage der Arbeit darstellt.
 
Wem nützen die Vertretungen?
 
Ob das Ziel des Ganzen erreicht wird, nämlich die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Mieter/innen und ihren städtischen Vermietern, wie es in der Anweisung heißt, hängt sowohl von der Qualität der Mieter/innenvertretung als auch vom tatsächlichen Willen des Vermieters ab, mit der Vertretung konstruktiv zusammenzuarbeiten. Dies setzt voraus, daß die Gesellschaften bereit sind, berechtigte Interessen der Mieter/innen anzuerkennen und gebührend zu berücksichtigen.
 
J.G.
 
MieterEcho-Archiv | Inhaltsverzeichnis Nr. 255